Den Kranken zum Nächsten machen Interview mit Krankenbesuchs-Ausbilderin Theresia Jonczyk

Frau Jonczyk, was ist Sinn und Zweck von ehrenamtlichen Krankenbesuchsdiensten?

Im Jahr der Barmherzigkeit kann ich kurz und knapp sagen: Kranke besuchen ist eines der wichtigen und notwendigen Werke. Es geht ja nicht nur um Besuche von Kranken, auch von Menschen, die allein oder einsam sind. Es ist immer sinnvoll, für einen anderen da und für eine Begegnung offen zu sein. Ich denke, gerade in der heutigen Gesellschaft ist es wichtig, nicht nur zweckmäßig zu handeln. Ich schenke als Besucher dem Menschen, dem ich gegenübersitze, etwas von meiner Zeit. Dadurch mache ich ihn zu meinem Nächsten und zeige ihm, dass er von Bedeutung ist.

Wer kann Krankenbesuchsdienste machen? Welche Voraussetzungen braucht es?

Im Prinzip kann das jeder Mensch mit Einfühlungsvermögen. Zwei Dinge sind jedoch sehr förderlich:
Erstens, die Möglichkeit, für die Besuche persönliche Zeit zu verschenken, und zweitens, sich auf den Besuchten ganz einzulassen, ihm ohne jegliche Wertung zu begegnen und sich seinen Wünschen „unterzuordnen“. Sehr gut und hilfreich wäre es, zumindest am Anfang der Besuchstätigkeit in eine Gemeinschaft eingebunden zu sein. Dann habe ich die Möglichkeit der kollegialen Beratung, wenn ich mir nicht ganz klar bin, ob ich das Eine oder Andere besser machen könnte.

Wer wird besucht?

Es gibt viele Möglichkeiten für den Besuchsdienst. Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass der Besuch einem Menschen gilt. Natürlich werden Kranke im Krankenhaus oder in ihrem Zuhause besucht. Besuche für Menschen, die in Pflegeheimen leben, sind sehr wichtig. Darüber hinaus gibt es ja auch die Möglichkeit, als „Delegierte“ der Gemeinde Menschen zu besuchen, die nicht zur Gemeinde kommen können. Schön ist es auch, wenn Kommunionhelfer, die kranke und alte Gläubige in ihrem Heim besuchen, sich für, Gespräche und Begegnung Zeit nehmen.

Wie begegnet man einem völlig fremden, kranken Menschen am besten?

Dafür gibt es kein Rezept, ob „nur den Kopf ins Zimmer stecken“ oder mit linkem oder rechtem
Bein ins Zimmer treten. Jede Besucherin ist ja auch ein individueller Mensch. Die eine kann das so, die andere eben so. Sich eben auf das einzustellen, was ich vorfinde, ist wichtig. Wenn wir eine Situation im Krankenhaus nehmen: Es kann durchaus sein, dass die Besucherin in ein Zimmer geht, sich vorstellt und ganz schnell nach draußen verwiesen wird. Einem anderen Gutes tun zu wollen, setzt dessen Freiheit nicht außer Kraft.

Er muss es nicht annehmen. Kranke besuchen, Leid sehen – ist das nicht deprimierend?

Nein, dass muss es überhaupt nicht sein. Nach den Worten „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mirgetan“ kann dem Besucher auch durch den Besuch allein Kraft erwachsen. Außerdem kann die Freude des Besuchten, ein sinnhaftes Gespräch mit ihm oder eine Situation mit ihm auszuhalten, dem Besucher tiefe Freude schenken, auch wenn er nicht lachend den Raum verlässt.

Stichwort Demenz: Lohnt es sich, jemanden zu besuchen, der mich gleich wieder vergisst?

Ja, fast immer! Was Menschen mit der Krankheit Demenz verlieren, ist das, was wir als „den realistischen Umgang mit Daten oder Informationen“ bezeichnen. Was aber gut erhalten ist und lange bleibt, sind die Gefühle. Also: Ich kann mit einem einfühlsamen Verhalten einem solchen Menschen
Glücksmomente schenken.