Im Herzen Berlins entsteht ein sakrales Haus für drei Religionen. Muslime, Christen, Juden – alle gemeinsam im House of One, im „Haus des Einen“. Johann Evangelist Hafner, Ständiger Diakon und Professor für Religionswissenschaft, ist die katholische Stimme im Stiftungsrat des House of One.
Im House of One sollen Juden, Muslime und Christen Gottesdienst feiern, theologische Studien betreiben und religionspädagogisch wirken. Jede der Weltreligionen besitzt ihr Gottesverständnis, ihr Glaubensbekenntnis und ihren Kult. Wie geht das zusammen, wenn bereits unterschiedliche theologische Richtungen innerhalb nur einer Religion sich mühsam aufeinander zu bewegen?
Tatsächlich sind die Unterschiede innerhalb einer Religion oft größer als zwischen den Religionen. Eine progressive Jüdin ist in vielen Belangen einer liberalen Katholikin näher als ihrer orthodoxen Religionsgenossin. Man streitet halt eher mit denen, mit denen man dem Anspruch nach viel gemeinsam hat. Im House of One werden die Konfessionsstreitigkeiten nicht dieselbe Rolle spielen, weil es dort nicht um das rechte Eucharistieverständnis geht, sondern viel grundlegender um das Verhältnis zu Gott bzw. Gottes zu uns angesichts gemeinsamer Herausforderungen. Insofern werden sich hier die jeweils Dialogbereiten jeder Religion treffen und die Dialogverweigerer fernbleiben.
Das Haus soll ein Bethaus sein. Betet dann jeder in seinem Raum, oder können Juden, Muslime und Christen auch gemeinsam beten?
Zunächst nehmen wir auf, dass alle drei Religionen eine Art liturgische Gastfreundschaft kennen. Sie sind offen für Sucher und Interessierte, die einem Gottesdienst beiwohnen. Gleichzeitig gibt es Grade der Teilnahme: Nicht jeder muss und darf alles machen, zum Beispiel predigen, das Abendmahl empfangen, aus der Tora vorlesen… Diese Grenzen haben sowohl die Mitglieder der eigenen Religion als auch die Gäste zu respektieren.
Das House of One soll auch ein Lehrhaus sein. Was wird gelehrt werden?
Hier sind die Religionsgrenzen viel durchlässiger. Jede kann von anderen Religionen lernen, kann Fragen stellen, kann die eigene Tradition den Außenstehenden erklären. Ein solches Gespräch muss freilich von der Bereitschaft getragen sein, die Position des anderen verstehen zu wollen; und umgekehrt die eigenen Gründe für ihre Ablehnung verständlich machen zu wollen. Wir wollen dabei nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner ausweichen, indem wir nur Unstrittiges behandeln. Wir wollen uns auch über Fragen austauschen, die für Konflikte gesorgt haben: Ist Jesus am Kreuz gestorben? – so die Christen und Juden - oder jemand anderer an seiner Stelle? – so die Muslime.
Werden in der „Kirchenmoscheesynagoge“ auch neue spirituell-religiöse Formate entstehen? Beispielsweise Trauungen von gemischt religiösen Paaren, oder Kindersegnungen?
Ja. Wir werden nach Formen suchen, die für alle drei Seiten Bedeutung haben. In Ansätzen gibt es das ja schon: gemeinsam schweigen, Kerzen entzünden, neben- oder nacheinander für ein Anliegen beten. Oder kreative Ideen: gemeinsam einen Krug füllen, einen Baum pflanzen, Steine ablegen. Es gibt so viele Dinge und Gesten, die als Symbole dienen können. Wichtig ist nur, dass es würdevoll ist und irgendwie auf die eigene Tradition bezogen werden kann. Dabei werden wir nicht hochgradig definierte Rituale vermischen, etwa einen Brotritus in ein Freitagsgebet zwingen. Aber dass ein Priester und ein Imam eine Kindergruppe segnen, ist durchaus möglich, wenn es gut vorbereitet ist.
Die Mehrheit der Berliner gehört zu den Nicht-Religiösen. Was könnte die säkulare Stadtgesellschaft im Haus of One lernen?
Der Bauplan sieht einen „vierten Raum“ vor, von dem aus die drei Sakralräume betreten werden. Er ist der gemeinsame Vorraum, einerseits der neutrale Ort für das Gespräch zwischen den Religionen, andererseits für das Gespräch der Religionen mit den Nicht-Religiösen. Dort kann man sich allgemeiner unterhalten, ob bzw. warum eine Gesellschaft Religion braucht; warum auch ein säkulares Leben Letztziele hat; wie gemeinsam der Stadtfriede gefördert werden kann.