„Jeder Christ macht Öffentlichkeitsarbeit“

Medialer Dauerbrenner: Das Fest Fronleichnam wird in Berlin sehr öffentlichkeitswirksam gefeiert. Daher ist es auch in den Medien, etwa beim RBB, präsent. Foto: Walter Wetzler

Stefan Förner ist Pressesprecher im Erzbistum Berlin. Seine Aufgabe: Kirchliche Themen in die Medien bringen. Im Interview erzählt er, dass die Menschen hinter den Geschichten wichtig sind – und dass er Meinungsverschiedenheiten auch mal aushalten muss.

Sie sind seit fast 30 Jahren in der Presse tätig, zuerst bei Radio Paradiso, und seit über 20 Jahren als Pressesprecher für das Erzbistum Berlin. Wie hat sich die kirchliche Medienarbeit über die Jahre verändert?

Als ich 2003 im Bistum anfing, gab es genau einen Kanal: Ich habe die Informationen, die das Erzbistum an die Öffentlichkeit bringen wollte, an die Medien weitergeleitet und die haben reagiert. Heute kann eigentlich jeder Medienarbeit machen. Jeder hat einen Instagram-Account, bloggt oder ist bei TikTok. Momentan verschaffen wir uns einen Überblick darüber, wer alles mitarbeitet: Wer zahlt mit seiner Medienwirksamkeit auf unser Konto mit ein? Für mich ist es erleichternd, wahrzunehmen, dass es auch noch andere Akteure gibt.

Zu welchen Anlässen treten Sie mit den Medien in Verbindung und wie bearbeiten diese Ihre Themen?

Als ich anfing, fand gerade der erste Ökumenische Kirchentag statt und es herrschte Aufbruchstimmung. Das wurde medial stark beachtet. Insgesamt hat sich die Bandbreite der Arbeit eines Pressesprechers schnell gezeigt: ich muss auf Krisen regieren, aber dann gibt es auch immer wieder tolle Erlebnisse, von denen ich der Presse berichten darf.

Generell werden Themen in den Medien heute oft über das sogenannte „Storytelling“ vermittelt. Da äußern sich nicht Funktionäre, sondern das Thema wird anhand von Personen, die damit zu tun haben, dargestellt. Als Pressesprecher ist es meine Aufgabe, Menschen zu suchen und an die Medien zu vermitteln, die sich authentisch zu einem Thema äußern können.

Wie kann das ganz konkret aussehen?

Nachdem der Missbrauchsskandal am Canisius-Kolleg in Berlin publik wurde, fragte mich eine Journalistin nach dem Kontakt zu jungen Priesterkandidaten. Sie interviewte sie dazu, wie man heute überhaupt noch katholischer Priester werden kann. Daraufhin schrieb sie ein sehr verständnisvolles Portrait. Das war medial viel wichtiger als irgendwelche Prozentzahlen und Statistiken.

Bei welchen Themen ist die Kirche in der Öffentlichkeit heute überhaupt noch gefragt?

Insgesamt ist die kirchliche Berichterstattung in den säkularen Medien zurückgegangen, da die Redaktionen ihre Relevanz nicht mehr sehen. Als Anfang des Jahres im Bundestag die Diskussion um Abtreibung und den Paragraphen 218 neu entbrannte, saß nicht mal ein Kirchenvertreter im Expertengremium, das darüber diskutierte. Angefragt wird die Kirche aber in Krisen, wo wir ein bewährtes Ritual anbieten können.

Bei Trauerbewältigung zum Beispiel. Auch als die Flüchtlingskrise 2015 losging, zeichnete sich in den Schlagzeilen ein positives Bild von Kirche ab, das zeigte: „Da ist eine Kompetenz da.“

Wie kann sich Kirche gut in die heutige Medienlandschaft einbringen?

Es gibt feste Sendeplätze, zu denen wir immer wieder angefragt werden. Der RBB beispielsweise lädt Erzbischof Heiner Koch und den evangelischen Bischof Christian Stäblein jedes Jahr zu Ostern ein und berichtet auch über Fronleichnam. Darüber hinaus lassen sich über kirchliche Alle-Jahre-wieder-Themen Brücken zu aktuellen Großstadtthemen schlagen – etwa zwischen der Herbergssuche zu Weihnachten und der Obdachlosigkeit in Berlin. Beim Zulassungsgottesdienst der Taufbewerber des Bistums erhalten wir oft die Anfrage, wieso Menschen heute noch der Kirche beitreten.

Und an Karfreitag passiert, platt gesagt, sonst nichts. Da werden wir sichtbar, die starken Bilder des Karfreitags können medial wirken.

Wie betrachten Sie Ihre Aufgabe als Öffentlichkeitsbeauftragter für das Erzbistum?

Öffentlichkeitsarbeit macht grundsätzlich erstmal jeder Christ. Ich orientiere mich da gerne am ersten Petrusbrief (Kapitel 3, Vers 15): „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt.“ Das heißt, ich muss wirklich hinter dem stehen, wovon ich erzähle. Meine Aufgabe ist auch, alles im Blick zu haben.

Wenn wir zum Beispiel Flyer entwerfen, sollte alles zusammenpassen: das Anliegen, der Plan, die Ausführung. Als die Sankt Hedwigs-Kathedrale wiedereröffnet wurde, haben wir eingeladen, waren aber auch auf Fragen vorbereitet. Als Pressesprecher muss ich mich vor einer Veröffentlichung immer fragen: „Haben wir alles bedacht?“

Und wen wollen Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?

In erster Linie diejenigen, die noch in der Kirche sind. Ein Großteil der Katholiken geht nicht in den Gottesdienst. Die sind uns aber weiterhin insofern verbunden, als dass sie nicht ausgetreten sind, und wir sollten sie ernst nehmen. Ihnen zumindest mal einen freundlichen Brief zu schreiben, scheint mir eine gute Perspektive. Und wir dürfen nicht traurig sein, wenn sie sich nicht in Massen zurückmelden. Ich freue mich natürlich über Antworten, aber entscheidend ist, dass wir signalisieren, dass sie noch dazu gehören – dass nicht der erste Brief, den sie bekommen, auch der letzte ist: der Bestätigungsbrief zum Austritt. Das müssen wir verhindern. Zum Beispiel indem der Bischof oder der Pfarrer ihnen schreibt – nicht vom Blumenschmuck, nicht von der Heizung, sondern Geschichten, die das Herz erwärmen.

Versuchen Sie, Kirche um jeden Preis positiv darzustellen?

Gute mediale Arbeit funktioniert nur, wenn verschiedene Meinungen vertreten sind. Es muss eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Positionen geben und manchmal muss ich Dinge auch aushalten, die mir völlig gegen den Strich gehen. Insgesamt ist die Akzeptanz für kirchliche Themen größer, wenn sie transparent behandelt werden und sich viele Menschen am Austausch beteiligen können. Auf einige Aussagen gehe ich als Pressesprecher auch bewusst nicht ein, um ihnen durch meine Reaktion nicht noch zusätzliche Bedeutung zu geben – etwa bei diffamierenden Aussagen gegenüber dem Erzbischof. Das Gesprächsangebot halte ich dann aber trotzdem offen.

Immer wieder gelangen auch innerkirchliche Skandale in die Medien. Wie gehen Sie damit um?

In unserem Bistumsgebiet ist das öffentliche Interesse an Kirche sehr klein, dadurch bleiben wir eher unter dem Radar. Wir können das Risiko eines Skandals auch minimieren, indem wir von vornherein transparent sind. Es hilft mir, vertrauensvoll mit dem Bischof zusammenzuarbeiten. So erfahre ich, was im Bistum geschieht, durch ihn und nicht erst aus den Medien. In einem akuten Krisenfall ist es wichtig, schnell zu sein.

Ich kann den Rahmen dafür setzen, wie über etwas diskutiert wird: Verwenden wir eine juristische Herrschaftssprache und sprechen von „Recht“, „Schadensersatz“ oder „Anerkennungsleistung“? Oder reden wir auf Augenhöhe mit dem Gesprächspartner und sagen „Ich glaube dir“?

Versuchen Sie, den Medien mit der Veröffentlichung von Infos zuvorzukommen oder reagieren Sie lieber?

Grundsätzlich würde ich versuchen, vieles transparent an die Medien zu kommunizieren. Als Pressesprecher des Bistums darf ich manches aber einfach nicht veröffentlichen, was die Presse sehr wohl verbreiten kann. Zu den Schicksalsgeschichten der Betroffenen von Missbrauch beispielsweise darf ich mich gegenüber der Presse nicht äußern – der Betroffene schon. Wichtig ist, dass ich begründen kann, wieso ich nicht alles sage.

Haben Sie selbst schon mal eine Meldung verfasst, die Ihnen auf die Füße gefallen ist? Wie sind Sie damit umgegangen?

Manchmal habe ich quasi blinde Flecken, die dann erst im Nachhinein auffallen. Zum Beispiel habe ich mal in einem Bericht über Missbrauch geschrieben: „Die Kirche leidet unter dem Missbrauch.“ Das war eine sehr schmerzhafte Formulierung für diejenigen, die selbst Missbrauch erfahren und darunter gelitten haben. Alles, was so klingt, als wäre mir der Schutz der Institution Kirche wichtiger als die Menschen in ihr, zählt dazu. Da hilft es dann, mir immer wieder bewusst zu machen, dass ich nicht alles richtig machen kann.

Die Kirche lebt ja auch von Bildern – liturgische Farben, Menschen, prächtige Kirchen. Die sozialen Medien, aber auch Zeitungen und Fernsehen arbeiten immer mehr mit Fotos und kürzeren Textbeiträgen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Ohne Bilder läuft mediale Arbeit heute nicht mehr. Doch ohne Inhalt ist das beste Bild nichts wert. Man kann aber schon sagen: Je besser das Bild, desto besser wird der Inhalt wahrgenommen. Damit können wir als Kirche arbeiten. Wir sind zu klein, um neue mediale Wege zu erfinden, aber wir können von anderen lernen und das Erlernte dann selbst gut umsetzen. Dann können wir uns mutig dahin stellen, wo die Musik spielt – und unseren Beitrag dazu stellen.

Zu guter Letzt: Sie selbst kommen ursprünglich aus dem Erzbistum Bamberg. Was ist an der katholischen Kirche im Erzbistum Berlin anders als in anderen Bistümern?

Die Katholiken im Erzbistum Berlin sind der Kirche sehr verbunden. Ich beobachte da eine größere Grundloyalität gegenüber der Kirche als im Westen, das „Wir-Gefühl“ ist stärker und insgesamt haben die Menschen im Bistum ein eher sympathisches Bild von Kirche. Das liegt sicherlich auch an der DDR-Vergangenheit. Und auch die Ökumene hat in Berlin Tradition: Historisch betrachtet spielen beispielsweise die Märtyrer der NS-Zeit und die Widerständler der DDR-Zeit aus der evangelischen und katholischen Kirche eine gleich große Rolle. Die Medien sprechen von Widerstand aus der Kirche, ohne die Konfession zu nennen. Heute gibt es außerdem eine große soziale Ökumene. Wir können das Gemeinsame pflegen, weil wir um die Unterschiede wissen.