Viel Wald, weite Wege, ungünstige Verbindungen mit dem öffentlichen Nahverkehr – der Pastorale Raum östlich von Berlin webt ein Netz aus verbindenden Veranstaltungen.
Im Pfarrhaus der Gemeinde Heilige Familie in Rüdersdorf duftet es nach Kaffee. Die Steuerungsgruppe tagt. Zum Pastoralen Raum gehören neben Hl. Familie Rüdersdorf die Pfarrgemeinden St. Bonifatius in Erkner, St. Georg in Hoppegarten und St. Hubertus in Petershagen. Wie läuft er denn so, der Pastorale Prozess?
„Es ist so, dass es nicht einfach ist“, sagt der Leiter der Entwicklungsphase, Domkapitular Msgr. Martin Pietsch schmunzelnd. „Aber wir sind auf dem Weg.“ Weg ist ein Stichwort in der Runde: „Wir haben viel Wald, weite Wege - und Tesla“, beschreibt Gemeindereferent Klemens Stachowiak den Raum mit seinen rund 4700 Katholiken. „Na ja, wie das mit dem Elektroautobauer wird, ist ja noch nicht so ganz klar“, meint Fabian Jermis. „Aber die weiten Wege haben wir. Wenn ich zum Beispiel mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von Erkner nach Petershagen will, muss ich mit der S-Bahn erst bis Ostkreuz fahren und von dort dann zurück nach Petershagen.“
Was das Prinzip Gerechtigkeit, nach dem Veranstaltungen wie die Themenabende in der Fastenzeit oder die Treffen der Firmanden abwechselnd in allen vier Pfarrgemeinden stattfinden, zwar erschwere, „aber so hat es jeder mal länger und mal kürzer“.
Die Chance, dass „jede Gemeinde mal Gastgeber und mal Gast sein kann“, sieht auch die Verwaltungsleiterin des Pastoralen Raums, Regina Kaluza, und erzählt vom „Marientragen“ im Advent, wenn eine kleine Kopie der Schutzmantelmadonna von Alt-Buchhorst durch die Pfarrgemeinden wandert. „Man singt und betet zusammen, trinkt Kaffee, kostet Plätzchen und kommt mit neuen Leuten ins Gespräch.“ Und merkt, dass die echt nett sind.
Auch das Musical „Franziskus. Ein Heiliger und ein Papst“, das 2019 aufgeführt wurde, war ein Knotenpunkt im Netz, das den Glaubensraum verbindet. Für den Initiator des Projekts, Sebastian Aehlig, der im Pastoralausschuss die Belange der Kirchenmusik vertritt, war es selbstverständlich, Musikbegeisterte aus allen Generationen, Gemeinden und Gottesdienstorten zu gewinnen. Da waren auch die Ordensfrauen aus Alt-Buchhorst mit Freude dabei. Und weil so ein Musical nicht mit dem Schlussapplaus „abgehakt“ ist, kann an die positiven Erfahrungen bei den Proben und den Aufführungen in den Kirchen von Erkner und Petershagen angeknüpft werden. Damit sind die beiden „Franziskusse“, Franz von Assisi und Papst Franziskus, zu Impulsgebern für den Prozess „Wo Glauben Raum gewinnt“ und seine Themen geworden.
Auch wenn am Ende die Gründung der neuen Pfarrei steht, geht es nicht nur um Strukturfragen. Im Mittelpunkt steht der Auftrag der Kirche, sich in die „Welt von heute“ einzubringen, wie es das Zweite Vatikanische Konzil formuliert hat. Darin sind sich die Mitglieder der Steuerungsgruppe einig. Deshalb werden nicht nur die Pfarrgemeinden mit ihren Kirchen in Rüdersdorf, Herzfelde, Schöneiche, Erkner, Berlin-Rahnsdorf, Alt-Buchhorst, Hoppegarten, Petershagen, Altlandsberg und Strausberg, sondern auch die „Orte kirchlichen Lebens“ in den Prozess einbezogen - das Theresienheim in Schöneiche, die Einrichtungen der Caritas, das Christian-Schreiber-Haus in Alt-Buchhorst oder die Militärseelsorge in Strausberg. „Kirche und Glaube sind ja nicht Selbstzweck, sondern Auftrag im Dienst an allen, die hier leben“, bekräftigt Monsignore Pietsch.
Ein Beispiel für solch eine „Dienstleistung“ war der gemeinsame Spendenlauf für die im Bau befindliche Nachsorgeklinik für schwerkranke Kinder in Strausberg. „Auf die Plätze, fertig los“ hieß es dabei nicht nur für die Schüler der katholischen Grundschule St. Hedwig in Petershagen, sondern auch für Kinder aus allen vier Pfarrgemeinden des Pastoralen Raumes, berichtet Fabian Jermis. „Alle haben sich gegenseitig angefeuert, haben Obst und Kuchen mitgebracht, die Stimmung war großartig, und der Erlös konnte sich sehen lassen.“
Von einer im Wortsinn spielerischen Idee erzählt Klemens Stachowiak: „Einmal im Monat trifft man sich abends bei Monopoly oder Mau-Mau, knüpft Kontakte über Gemeindegrenzen hinweg, hat Spaß, alles ganz ‚niedrigschwellig‘. Auch sowas schafft Beziehung.“
Und die Jugendlichen aller vier Pfarrgemeinden haben bei einer „Adventsnachtwache“ die „Pastorale-Raum-Jugend“ gegründet, ergänzt Pfarrer Pietsch. „Nach der Heiligen Messe in Erkner begann der gemeinsame Abend mit Spielen und einem Film. Kurz vor drei Uhr morgens, also mitten in der Nacht, fuhren sie mit der S-Bahn in den Wedding zur Jugendroratemesse in St. Joseph.“ Für ihn sei das ein Beispiel, wie zusammenwachsen kann, was zusammenwachsen soll, und wo man der Devise der Bistumsjugend folgt: „Runter vom Sofa!“ Was auch für die Wallfahrten gelte, zu denen alle „Raumbewohner“ aller zwei Jahre eingeladen sind, fügt der Gemeindereferent hinzu.
Denn bei allen Aktivitäten gehe es darum, dass der Glaube an Raum und Tiefe gewinnt. Das setze auch voraus, dass in den Arbeitsgruppen des Pastoralausschusses sowohl Mitglieder des Pastoralausschusses als auch Mitglieder aus allen Pfarrgemeinden vertreten sind und alle Interessierten aus den Gemeinden regelmäßig über deren Arbeit informiert würden.
Als ein Beispiel nennt Matthias Koch ein Forum, zu dem die AG „Glauben feiern“ eingeladen hatte, bei dem sich 34 Engagierte aus den vier Pfarrgemeinden über die Schönheit der Liturgie in ihren vielen Formen ausgetauscht haben. Bei einem weiteren Forum, auf dem über die Arbeit der AG „Unser Gemeinde-Leben“ informiert und diskutiert wurde, seien fast 100 Interessierte nach Erkner gekommen, ergänzt Fabian Jermis.
Friedlich scheint es zuzugehen bei der pastoralen Raumplanung. „Wir haben aber auch noch keine ‚heilige Kuh‘ geschlachtet“, gibt der Gemeindereferent zu bedenken. Monsignore Pietsch nickt. So ein Wachstumsprozess mute jedem „Raumbewohner“ etwas zu, fordere dessen Mut zur Veränderung heraus und die Bereitschaft, sich höchstpersönlich zu investieren. „In kleinen Schritten, ja, aber wir haben uns auf den Weg gemacht, die Gemeindegrenzen aufzubrechen. Wie sich das alles entwickelt, weiß der Herr allein.“