Für die neue Orgel müssen 230 000 Euro her. Dafür braucht es langen Atem, kreative Ideen und Beziehungsaufbau.
Eine alte Orgelpfeife steht in Heilige Dreifaltigkeit in Brandenburg an der Havel und wartet auf Münzen und Scheine oder darauf, dass jemand ihren QR-Code scannt. Die Spendenpfeife war eine der ersten Maßnahmen zur Finanzierung einer neuen Orgel. Nachdem in den letzten Kriegstagen im April 1945 auch die Orgel zerstört wurde, hat seit 1968 eine kleine einmanualige Universalorgel mit sechs Registern treue Dienste geleistet. Doch das Ende ihrer Lebensdauer zeichnet sich ab. Eine dringend erforderliche umfassende Reparatur wäre nicht wirtschaftlich. Also stellten sich engagierte Gemeindemit-glieder zusammen mit dem Bauförderverein der Aufgabe, den Fort-bestand der Kirchenmusik im Pastoralen Raum Brandenburg-Rathenow-Bad Belzig zu gewährleisten. Die Notwendigkeit eines so kostenintensiven Vorhabens traf in der Gemeinde zunächst auf Skepsis. Nachdem drei Konzepte einschließlich Kostenangeboten und Vergabeempfehlung des Orgelsachverständigen vorlagen, stimmte der Kirchenvorstand Anfang 2019 einer Umsetzung des Orgelprojektes zu. Auf dem Konto des Fördervereins waren ca. 20 000 Euro aus Spenden der letzten fünf Jahre, fehlten nur noch 210 000 Euro ...
Unter dem Motto „Wir ziehen alle Register“ wurden Ideen entwickelt und die Reihe „Orgelperlen“ ins Leben gerufen. Diese Gestaltung der Sonntagsmesse durch besondere musikalische Beiträge brachte monatlich 200 bis 300 Euro. Die anfängliche Freude wich der Ernüchterung: „Noch 70 Jahre singen ...“, fasst Anita Wodatschek für das Orgelteam mit einem Augenzwinkern zusammen.
Also Fundraising – zu diesem Zeitpunkt ahnte das Orgelteam weder die volle Bedeutung des Wortes, noch, was dazu gehört. Es wurde viel diskutiert und wenig ging voran.
Mit dem Brandenburger Architekturbüro Märkplan konnte tatkräftige Unterstützung gewonnen werden. Die Architektin Uta Zerjeski brachte nicht nur Erfahrungen mit Förderanträgen, Gestaltung und Technik mit, die dem Orgelprojekt an vielen Stellen zu Gute kommen sollten, sondern auch eine lange Liste von Fragen: Wer sind potenzielle Spender? Wie erreicht man die verschiedenen Zielgruppen? Welche Fördermittel könnten zur Verfügung stehen? Wer könnte über den Kreis der regelmäßigen Gottesdienstbesucher hinaus ein Interesse an einer neuen Orgel in der Kirche Heilige Dreifaltigkeit haben? Und nicht zuletzt: Wie schaffen wir es, vor Ort ein Netzwerk helfender Hände und Unterstützer aufzubauen?
Vorschläge für Aktionen gab es viele. Es begann die Suche nach Orgelbotschaftern, Tonkünstlern, Wortakrobaten, Pixelhelden, Post-boten und Backfeen. Doch das Netzwerk wollte nicht so richtig wachDie personellen Kapazitäten waren begrenzt und die Spenden flossen verhalten. Im April 2019 lud Pfarrer Matthias Patzelt die Koordinatorin für Fundraising-Entwicklung im Erzbistum Berlin, Uta Bolze, ein. Sie machte von Anfang an deutlich: „Beim Fundraising geht es zuerst darum, eine Beziehung zu den potenziellen Unterstützern aufzubauen.“ Und sie fand: „Das gelingt den Engagierten in Brandenburg sehr gut. Sie kommunizieren kreativ und transparent auf vielen Kanälen.“
Zusammen mit ihr wurde die Diskussion der Zielgruppen weiter vertieft. Ein geplantes Anschreiben an alle volljährigen Gemeinde-mitglieder wurde erst auf den Prüfstand und dann auf den Kopf gestellt. Die erste Aufgabe war: „Nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen“. Also wurden mit 1800 Briefen keine Überweisungsformulare, sondern nette Einladungen zu einem niederschwelligen Angebot, einem Benefizkonzert mit anschließendem Imbiss verschickt. Der nächste Schritt war, aus dem Briefversand heraus das Netzwerk der Unterstützer und den Verteiler für einen Newsletter zu erweitern. Es wurde angeboten, Sitzplätze per E-Mail reservieren zu lassen. Keine Kosten, wenig Aufwand, dafür kam man mit den Besuchern an der Kirchentür ins Gespräch. Und das Ergebnis der Mühe? Eine volle Kirche, eine gemeinschaftsförderliche, gesellige Atmosphäre auf dem Pfarrhof und 1500 Euro mehr auf dem Spendenkonto.
Aus der Erfahrung, dass Spenden vornehmlich ein sozialer Prozess ist und Menschen sich erst als Teil einer Gemeinschaft sehen und dann ihren Anteil zum Gelingen beitragen, entstand ein Fundraising-Mix. Auch hier wagte der Förderverein kreative Wege. Über Charity-Shopping-Portale kann man zugunsten der Orgel einkaufen oder Reisen buchen. Pfeifenpatenschaften werden angeboten und zur Weihnachtszeit wurde ein eigens gebrautes Orgelbier als „Orgelbotschafter“ verschenkt.
Uta Zerjeski ist sicher: „Obgleich es noch viele Vorschläge zur Spendenakquise gibt, werden die wesentlichen Finanzierungsbausteine aus Fördermitteln zu erzielen sein. Hier gilt es, klug zu agieren, Vergabeverfahren und Fördermittelbedingungen und -fristen zu kennen und geschickt die richtigen Türen aufzustoßen.“
Trotz aller Anstrengung und manchmal auch dem Gefühl, es könnte schneller gehen, blickt das Orgelteam optimistisch in die Zukunft. Allein 2019 sind durch die Fundraising-aktivitäten 25 000 Euro zusammengekommen. Für 2020 und 2021 sind zahlreiche Benefizkonzerte geplant. Unter anderem spielt das Landespolizeiorchester in diesem Jahr zwei Konzerte im Brandenburger St. Pauli-kloster. Die „Orgelperlen“ und das anschließende Gemeindecafé sind inzwischen fester Bestandteil des Gemeindelebens geworden und mit den Veranstaltungen finden erfreulicherweise auch Menschen den Weg auf den Pfarrhof, die sonst mit Kirche nichts (mehr) zu tun haben. Dieser Zuspruch macht den ehren-amtlich tätigen Orgelfreunden Mut. Uta Bolze unterstreicht: „Das ist ein Projekt, bei dem die Ehrenamtlichen weit mehr erreichen werden, als die Finanzierung der neuen Orgel.“
Unterstützung an den Bau- und Förderverein Heilige Dreifaltigkeit Brandenburg an der Havel:
DE87 1605 0000 3601 020393