Kardinal Sterzinsky zu den Missbrauchsvorfällen
Kardinal Sterzinsky in der BZ-Kolumne "Was würde Jesus dazu sagen?" vom 04.02.2010
Offenheit, Transparenz und Aufklärung
Als ich von den Vorfällen des sexuellen Missbrauchs im Canisius-Kolleg hörte, war ich überrascht und äußerst entsetzt. Zumal das Ausmaß noch nicht bekannt ist. Es werden sich wohl noch weitere Betroffene melden, die großes Unrecht mit leidvollen und langwierigen Folgen erlitten haben. Umso abstoßender, als der Schutz der Jugendlichen und ihre sexuelle Erziehung ein wichtiges Anliegen des katholischen Ethos sind.
Was würde Jesus zu den Missbrauchsfällen sagen? Er hat etwas dazu gesagt! Er hat gesehen, dass Verführungen geschehen werden. Und er hat mit aller Schärfe und Eindringlichkeit gewarnt und sogar gedroht! Und zugleich aufgefordert, die Sünder zurechtzuweisen, also nicht wegzuschauen!
Nun ist in großem Maße Vertrauen missbraucht worden, das Menschen in die Kirche und ihre Vertreter gesetzt haben. Es wäre aber schade, wenn wir über diesen Ereignissen vergessen, dass der große Teil der Geistlichen in verlässlicher und guter Weise ihren Dienst tut.
Es ist unsere Aufgabe, Unrecht aufzuklären und Schutz vor weiteren Missbrauchsfällen zu sichern. Dazu gehört unbedingt die Aufklärung von Kindern und Jugendlichen, aber auch aller in ihrer Umgebung. Es muss gelingen, in einer Atmosphäre des Vertrauens über diese sensiblen Themen zu sprechen.
Auch in der Aus- und Fortbildung von Geistlichen, Seelsorgern, Pädagogen und pastoralen Mitarbeitern muss die Haltung der Kirche zu derartigen Fällen klar benannt und auf die entsprechenden Konsequenzen verwiesen werden.
In der Vergangenheit wurde seitens der Kirche das Thema des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche offensichtlich vernachlässigt. Es gab wohl eine „Kultur des Wegschauens und -hörens“. Nicht zuletzt dies hat solche Vorkommnisse begünstigt. Daher bin ich froh, dass der Rektor des Canisius-Kollegs, Pater Mertes, mutig den wichtigen Schritt an die Öffentlichkeit gewagt hat. Ich habe die Hoffnung, dass wir beitragen können, dass zukünftig solche Missbrauchsfälle nicht mehr geschehen.