Wort des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz,
Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, anlässlich der Exequien für Georg Kardinal Sterzinsky am Samstag, den 9. Juli 2011 in Berlin
Verehrte Trauergemeinde!
Wir stehen am Sarg von Georg Kardinal Sterzinsky. Ein Bischof ist von uns gegangen, der als treuer Diener Christi sein Leben und seinen Dienst unter das Leitwort stellte „Deus semper maior“. Gott ist größer als alles, was wir erfassen und erkennen – vor allem aber ist er größer als unsere eigenen schwachen Kräfte. Kardinal Sterzinsky hat in allem zu allererst Gott gesucht. Deshalb verstand er sein Amt als Priester und Bischof als Dienst für sein Erzbistum und die Kirche von Deutschland und damit als Dienst an den Menschen. Er liebte die leisen Töne, das suchende und abwägende Wort. Er war stets darauf bedacht, die Kirche als Ort des Gemeinsamen erfahrbar zu machen und den Weg gemeinsam mit Seelsorgern und Gläubigen zu gehen.
Das hat er hier als Erzbischof von Berlin getan. Das hat er auch in der Deutschen Bischofskonferenz getan. In vielen Debatten waren es seine Ehrlichkeit und Redlichkeit und eine einsichtige und verständliche Form theologischen Redens, die uns Bischöfen weitergeholfen haben und in der Meinungsbildung eine große Hilfe waren. Ich erinnere mich gerne an die Nachdenklichkeit, die Georg Kardinal Sterzinsky in unserer Konferenz einbrachte, eine Nachdenklichkeit, die in die Tiefe der Fragestellungen und die Weite, die Jesus Christus und schenkt, führte. Er war jemand, der kritisch und zutiefst kirchlich an die Probleme heranging und dadurch eine natürliche Autorität ausstrahlte.
Wir deutschen Bischöfe sind Kardinal Sterzinsky dankbar für seinen Einsatz in unserer Konferenz. Letztlich ging auf ihn die Gründung der Familienkommission der Deutschen Bischofskonferenz zurück. Deren Vorsitzender war er fast zwei Jahrzehnte. Es war ihm ein Anliegen, mit den Frauen in der Kirche stärker ins Gespräch zu kommen. So gab er den Anstoß für die Gründung einer Unterkommission Frauen. Vor allem galt Georg Sterzinskys Augenmerk den Benachteiligten in der Gesellschaft, gerade auch den Flüchtlingen und Migranten. Das Flüchtlingsschicksal hatte er ja selbst erleiden müssen. Er lebte aus der tiefen Überzeugung: gerade im scheinbar fremden Menschen begegnet uns Jesus Christus selbst.
Wir trauern um einen Erzbischof und Priester, um einen Seelsorger und gläubigen Katholiken, der sein Leben lang in tiefer Frömmigkeit dem Herrn und seiner Kirche gedient hat. Wir werden ihn vermissen. Der Bischof, der Teilung und Wiedervereinigung am nächsten miterlebt hat, der Seelsorger, der Mauer und Stacheldraht ganz unmittelbar kannte, der Katholik, der den Ruf der Menschen nach Freiheit vernahm und aufnahm, der in seinen Predigten den Verzicht auf jedwede neue Mauern forderte, auch den Verzicht auf die Mauern in den Köpfen und Herzen – er ist von uns gegangen. Nun ist er bei Gott, bei ihm, der stets größer ist, auch größer als die Mächte des Todes; er ist bei ihm, den er suchte und für den er sein Leben einsetzte. In stiller Trauer verneige ich mich vor einer inspirierenden, bescheidenen und wegweisenden Persönlichkeit, vor einem authentischen Zeugen für den auferstandenen Herrn Jesus Christus.