Hirtenbrief zum Papstbesuch 2011
Der Erzbischof von Berlin
Hirtenbrief des Erzbischofs von Berlin, Dr. Rainer Maria Woelki,
aus Anlass des Besuchs S.H. Papst Benedikt XVI. im Erzbistum Berlin
zu verlesen in allen Sonntagsgottesdiensten am 17./18. September 2011
Liebe Schwestern und Brüder,
die Tage der Ernennung und der Einführung als Ihr neuer Erzbischof liegen nun schon einige Wochen zurück. In ersten Begegnungen durften wir einander etwas kennenlernen. Sehr herzlich möchte ich mich heute bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie mich so gut aufgenommen haben. Das hat mir Mut gemacht und meinen Beginn bei Ihnen erleichtert. Wir gehören nun zueinander und sind berufen, unseren Weg als Christen gemeinsam in unserem Erzbistum Berlin zu gehen.
In wenigen Tagen haben wir die große Ehre, unseren Heiligen Vater, Papst Benedikt XVI., in Berlin begrüßen zu dürfen. Wir heißen ihn schon jetzt herzlich und mit großer Freude willkommen! Persönlich empfinde ich es als eine bewegende Fügung, dass ich gleich zu Beginn meines Dienstes als Erzbischof in Ihrer aller Namen dem Heiligen Vater unsere tiefe Verbundenheit mit ihm als Nachfolger des heiligen Apostels Petrus und Oberhaupt unserer weltumspannenden Kirche übermitteln und versprechen darf.
Papst Benedikt kommt nach Berlin als Gast des Erzbistums und als Gast der Bundesrepublik Deutschland. Im Garten des Schlosses Bellevue wird Bundespräsident Wulff gemeinsam mit Vertretern des politischen Lebens und mit Bürgerinnen und Bürgern aus ganz Deutschland einen Willkommensgruß an ihn richten. Als Katholiken werden wir im Olympiastadion mit dem Heiligen Vater die heilige Eucharistie feiern und uns von ihm stärken lassen im Glauben und in der Bindung an die katholische Kirche.
Wir haben uns entschieden, ein großes Fest des Glaubens zu feiern. Damit 70.000 Menschen im Olympiastadion und Millionen Menschen in aller Welt mitfeiern können, müssen wir viel Geld in die Hand nehmen. Insgesamt 3,5 Millionen Euro haben wir dafür veranschlagt. Das mag Ihnen sehr viel vorkommen und das ist auch sehr viel. Aber sicher pflichten Sie mir bei, dass es unmöglich ist, für einen Gottesdienst Eintritt zu verlangen, schon allein, weil nicht wir es sind, die einladen, sondern der Herr selbst. Seien Sie versichert: das Geld, das wir für den Papstbesuch ausgeben wird nicht zu Lasten unseres sozialen und caritativen Engagements gehen. Auch die Hungersnot in Afrika gerät dadurch nicht aus dem Blick, im Gegenteil: Aus Anlass des Papstbesuchs wurde der „Benedikt Ostafrikafonds“ aufgelegt. Ziel ist es, dem Heiligen Vater finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen für eine schnelle und wirksame Hilfe vor Ort. Wir, die deutschen Bistümer, werden diesen Fonds auflegen und finanziell ausstatten. Ich lade Sie herzlich dazu ein, sich daran zu beteiligen.
Berlin ist das politische Zentrum unseres Landes. Papst Benedikt trifft hier mit allen Personen zusammen, die nach den Bestimmungen des Grundgesetzes unseren Staat repräsentieren. Im Deutschen Bundestag wendet er sich an die Abgeordneten und damit an unser gesamtes Volk. Berlin ist zugleich das Zentrum unseres Bistums, das aber weit über die Stadt Berlin hinausreicht. Die besondere Verbindung unseres Erzbistums mit dem öffentlichen Leben ist hier eine Herausforderung und ein Ansporn für die Seelsorge und das persönliche Zeugnis aller Getauften, ja, die kulturelle Situation und die politische Prägung der Stadt Berlin fordern geradezu unsere Bewährung als Glaubenszeugen.
Der Besuch des Heiligen Vaters in Deutschland steht unter dem Leitwort: „Wo Gott ist, da ist Zukunft.“ Dieser Satz richtet das Augenmerk sowohl auf Gott wie auch auf die Zukunft der Menschen. Mehr noch: Er bekräftigt, dass beides identisch ist. Gott ist unsere Zukunft. Ohne Gott ist die Zukunft verstellt. Das gilt für den einzelnen Menschen: Wer nicht im Vertrauen auf Gott die Wechselfälle seines Lebens, besonders seine Schwäche und seine Bedrohung durch den Tod, annimmt und bejaht, der lebt in einer Bindung an das Heute, die der menschlich gewünschten Weite und inneren Freiheit ermangelt. „Wo Gott ist, da ist Zukunft“, das stimmt aber auch für das öffentliche Leben und das Gemeinwesen. Wenn Politik sich überschätzt und sich nicht zurückzunehmen weiß, um die gesellschaftlichen Kräfte zur Entfaltung kommen zu lassen, dann verstellt das die Zukunft. Wenn die Politik die Endlichkeit dieser Welt nicht anerkennt, ist sie auf dem besten Weg die Zukunft zu verwirken, statt sie zu befördern.
Über diese Zusammenhänge will der Heilige Vater zu den politisch Verantwortlichen sprechen, besonders hier bei uns in Berlin und im Erzbistum Freiburg. Und er wird sie auf allen Etappen seiner Apostolischen Reise uns Gläubigen gegenüber zum Thema machen. Uns nämlich ist es abverlangt und zugemutet, Zeugen des Gottes zu sein, der den Menschen eine Zukunft bereitet. „Nos sumus testes -Wir sind Zeugen“ (Apg 5,32), dieses Wort des heiligen Petrus aus der Apostelgeschichte, das ich mir zum Wahlspruch genommen habe, bringt dies in aller Klarheit zum Ausdruck.
In den kommenden Monaten möchte ich in der Begegnung mit Ihnen näher verstehen lernen, wie in unserem Erzbistum, also in Gemeinschaft, unser Glaube an Gott gelebt und bezeugt werden kann und soll. Es geht um die Präsenz des christlichen Glaubens in einer Gesellschaft, in der es Zeichen der Gottessuche und Gottesvergessenheit gibt, in der die Christen eine Minderheit sind und doch eine große, anerkannt positive Kraft entfalten. Es geht um eine Glaubensverkündigung, um Seelsorge und kirchliche Gemeinschaft, die Gläubigen und Suchenden Nähe vermittelt zu Gott und in der Kirche. Besonders dort, wo es Probleme gibt in unserer Gesellschaft, ist unser Zeugnis gefragt, und zwar auf sehr praktische Weise: dort, wo fehlende Chancen der Teilhabe, Mangel an Perspektive, fehlende Beheimatung und persönliches Schicksal den Glauben an eine persönliche und familiäre Zukunft verstellen und die Sehnsucht nach ihr besonders greifbar ist. Wie meine Vorgänger im bischöflichen Dienst und in guter Berliner katholischer Tradition möchte ich es mit Ihnen gemeinsam an sozialer Wachheit in nichts fehlen lassen, was uns möglich ist.
Unser Erzbistum heißt Papst Benedikt aufs herzlichste willkommen! Nicht alle in der Hauptstadt anerkennen seinen Rang und seine Verdienste. Wir respektieren dies. Wir bitten aber auch unsererseits um Respekt. Sie alle, die Gläubigen des Erzbistums Berlin, lade ich ein, dem Heiligen Vater persönlich oder mittels der Übertragung durch die Medien zu begegnen. Lassen Sie uns all unsere Kirchen und kirchlichen Einrichtungen in den Stunden seines Besuches beflaggen und am 22. September um 10:30 Uhr, wenn der Papst landet, alle unsere Kirchenglocken als Ausdruck unserer Freude und des Gebetes für ihn und seinen Besuch in unserem Land läuten! Wir wollen in diesen Tagen besonders beten für sein Wohlergehen und um Gottes Hilfe bei der Ausübung seines übermenschlichen Dienstes. Ich bitte Sie um diesen Gebetsdienst wirklich von ganzem Herzen und freue mich sehr darauf, vielen von Ihnen im Rahmen dieses Besuches begegnen zu dürfen.
So grüße ich Sie in geistlicher Verbundenheit sowie in der Vorfreude auf diese Tage des Glaubens und bin mit den besten Segenswünschen für Sie persönlich, Ihre Gemeinden und Gemeinschaften
Ihr Rainer Maria Woelki
Erzbischof von Berlin
Berlin am 18. September 2011